Ziele

Ziel dieser Lebensphase ist es, dass der bei den meisten Kindern zu Schulbeginn vorhandene Enthusiamus zum Lesenlernen beibehalten wird bzw. bei den wenigen Kindern, die mit dem Lesen noch kaum in Berührung gekommen sind, geweckt wird. Dies ist die Voraussetzung für das eigentliche Ziel, dass der Leseerwerb auf der für das Individuum höchstmöglich erreichbaren Ebene gelingt. Dafür ist es notwendig, alle Fächer, unterschiedliche Institutionen und Initiativen – unabhängig vom Lebensalter und der Schulstufe – miteinzubeziehen. Nur so wird die Basis für die Weiterentwicklung über Bildungsinstitutionen hinweg geschaffen. 

Ziel: Erwerb basaler Lesekompetenzen

Wichtigstes Ziel ist, dass alle Kinder entsprechend ihren Möglichkeiten ausgehend von einer gesicherten basalen Lesekompetenz sowie entsprechender Leseflüssigkeit in der Lage sind, altersadäquate bzw. dem individuellen Leistungsvermögen angepasste Texte sinnentnehmend zu lesen. Dafür ist es notwendig, dass alle am Leselernprozess beteiligten Akteure über Erwerbsverläufe und die dafür notwendigen Teilkompetenzen, beginnend bei metasprachlichen Fähigkeiten und sprachbewussten Ansätzen bis hin zur Vermittlung von Lesestrategien, Bescheid wissen und diese entsprechend fördern können.
 
Dies gilt sowohl für Kinder mit deutscher als auch nichtdeutscher Herkunftssprache. Es ist außerdem darauf zu achten, dass für das Leseverständnis unverzichtbare Teilbereiche, wie etwa ein entsprechender Wortschatz, über den Leseunterricht hinausgehend angebahnt werden. Hilfreich für eine entsprechende Förderung ist die Kenntnis psycholinguistischer Modelle, die – unabhängig von der besuchten Schulstufe und dem damit verbundenen Leistungsanspruch – jedem Kind den Erwerb von (basalen) Lesekompetenzen ermöglicht. Sollte sich beispielsweise am Ende der Grundschule herausstellen, dass bei einem Kind noch Unsicherheiten bei bestimmten Buchstabe-Laut-Zuordnungen bestehen, so soll die Möglichkeit gegeben sein, diese Defizite auszugleichen. 

Für das anzustrebende Ziel, alle Kinder zum sinnentnehmenden Lesen zu führen, ist neben basalen Lesekompetenzen auch eine entsprechende Leseflüssigkeit notwendig, sowie die Beherrschung lokaler und globaler Kohärenzbildung. Damit ist gemeint, dass die Leserin bzw. der Leser das Gelesene in Zusammenhang mit anderen Informationen stellen kann. Dazu trägt die Kenntnis von und Vertrautheit mit verschiedenen Textsorten essentiell bei. Daher muss es ein Ziel sein, dass für anspruchsvollere Prozesse der Textverarbeitung die Kinder unterschiedliche Textsorten unterscheiden können. Neben traditionellen Textsorten, wie (gedruckten) Kurzgeschichten und Zeitungsartikel, sind zunehmend auch solche zu berücksichtigen, die aufgrund moderner Medien innerhalb und außerhalb der Schule an Stellenwert gewinnen, wie etwa Online-Artikel. Entsprechend der Textsorte sollen adäquate Lesestrategien vermittelt und angewendet werden können, wobei metakognitive Fähigkeiten und das Vorwissen des Kindes mit einbezogen werden. 

Ziel: Unterstützung der Lesemotivation und Leseinteressen 

Durch entsprechende Angebote wird das individuelle Leseinteresse der Kinder berücksichtigt und damit die Lesemotivation unterstützt und gestärkt. Die soziokulturelle und lebensweltliche Heterogenität der Kinder spiegelt sich im Lesestoff und den Aufgaben wider, damit die Berücksichtigung der individuellen Lebenswelt für die einen eine Unterstützung und die anderen eine Bereicherung darstellt. Dafür steht den Schülerinnen und Schülern eine entsprechend ausgestattete Bibliothek zur Verfügung. Sie ermöglicht einen individuellen Zugang zur Literatur, der beispielsweise auch mehrsprachige Literatur und unterschiedliche Medien beinhaltet, und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder durch ihren Medienbestand gerecht werden kann. 

Ziel: Zusammenarbeit und Professionalisierung aller Beteiligten

Zur Erreichung der Ziele findet eine interdisziplinäre und interinstitutionelle Zusammenarbeit statt. Da Lesen ein hochkomplexes Feld ist, das traditionell von Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen beforscht und bearbeitet wird, werden dafür entsprechende Stellen installiert. Ziel ist, dass diese Stellen auf Lesen spezialisierte Expertinnen und Experten mit ebenfalls am Leseprozess beteiligten Akteuren, angefangen von Erziehungsberichtigten über Freizeitpägoginnen und -pädagogen bis hin zu Fachlehrerinnen und Fachlehrern, vernetzen, ihre jeweilige Expertise und Erfahrung austauschen und sich in einer Wechselwirkung von Theorie und Praxis beim Umsetzungsprozess unterstützen.

Diese Stellen sind auch mit den oftmals für den individuellen Erwerb zu teuren Materialien (u.a. standardisierte Verfahren zur Feststellung der Lesekompetenz, verschiedene Übungsmaterialien, unterschiedliche Medien zum Lesen) ausgestattet, die bei Bedarf und mit entsprechender Beratung vermittelt werden.

Bei der Aus- und Fortbildung der Pädagoginnen und Pädagogen aller Fächer wird auf eine entsprechende Professionalisierung bzgl. der Vermittlung der Lesekompetenz in den verschiedenen Phasen und unter Berücksichtigung verschiedener Bedürfnisse, wie etwa Lesen(lernen) bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache und/oder bei LRS (Lese- Rechtschreibschwierigkeiten, „Legasthenie“) geachtet, sodass eine individuelle bzw. zielgruppenorientierte Leseförderung in den Schulen erfolgt. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, dass die Forderungen des Leseerlasses endlich in die Praxis umgesetzt werden. Vor allem in den Realien der Sekundarstufe müssen die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben entsprechende Lesestrategien einsetzen und üben zu können. 

Es ist eine Tatsache, dass die private Nachfrage, Kinder beim Lesenlernen zu unterstützen, viele außerschulische Institutionen zu einem Geschäftsmodell entwickelt haben. Aufgrund der Vielzahl an kostenpflichtigen Angeboten müssen Qualitätsstandards formuliert werden, die diese Anbieter zwingend zu erfüllen haben – zum Schutz aller Beteiligten. 
 

 

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