Zur Genese des ÖRLP

In den letzten Jahren wurde durch die Schulaufsicht, die Schulleitungen, in der Päda­goginnen- und Pädagogenbildung und deren dokumentierten Maßnahmensetzungen sowie in diversen außerschulischen Bildungsbereichen besonderes Augenmerk auf die Vermittlung der Kulturtechnik Lesen gelegt. Dennoch waren die Ergebnisse in interna­tionalen Assessments enttäuschend. Die EU-Benchmark für 2020 sieht vor, dass bis zu diesem Zeitpunkt der Anteil der „schwachen“ Leserinnen und Leser unter 15 % liegen soll (vgl. BMBF [o.J.]). Dies erfordert weiterhin ein zielgerichtetes Vorgehen. Das aktuelle Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung betont daher, dass die Lese­kompetenz zu stärken ist (vgl. BKA 2013, S. 41). Die Dringlichkeit von Maßnahmen, spezi­ell in der Leseerziehung der Volksschule, nennt auch der Nationale Bildungsbericht aus 2012 (vgl. Bruneforth et al. 2013). Er empfiehlt eine weitere Professionalisierung der Leh­rerschaft, u.a. bezogen auf die diagnostische Kompetenz vor dem Hintergrund großer Heterogenität in unserer Gesellschaft. Hier wird auch angeführt, dass Schülerinnen und Schüler insbesondere im basalen Lesen gefördert werden sollen. Die Kulturtechnik „Le­sen“ braucht ein Werkzeug zur Qualitätssicherung, das sich aber nicht singulär versteht, sondern das Zusammenwirken von Lesen/Schreiben/Sprechen als wesentlich erachtet, ebenso wie das Einbeziehen aller Unterrichtsgegenstände. Zu den weiteren Herausfor­derungen gehört auch, dass nicht ein Übergewicht im Bereich von „Gebrauchstexten“ und dem funktionalen Lesen entsteht, sondern dass literarische Texte in ihrer Bedeutung für die Entfaltung des Individuums erkannt werden (vgl. das Forderungspapier der Inter­essengemeinschaft österreichischer Autorinnen und Autoren; Österreichisches Kompe­tenzzentrum für Deutschdidaktik; Universität Klagenfurt [o.J.] zum Thema „Literatur in der Volksschule“). 

Im Papier der Österreichischen Industriellenvereinigung „Beste Bildung für Österreichs Zukunft” (2015) wird dargestellt, dass in der Wissens- und Informationsgesellschaft Ju­gendliche, die die Schule verlassen, ohne lesen zu können, vom Arbeitsmarkt und Bil­dungssystem weitgehend ausgeschlossen bleiben: Es zeigt sich, dass hier Schule eine Schlüsselfunktion einnimmt, aber gefordert sind wir alle gemeinsam. Lesen braucht Vor­bilder und ist als stufen- und altersgemäßer Prozess aufzufassen. 

Angesichts dieser Ergebnisse/Prognosen/Aussichten wurde von verschiedenen österrei­chischen Institutionen und Vereinen, die sich mit dem Thema Lesen auseinandersetzen, die Erstellung und Umsetzung eines nationalen Leseplans angeregt.

Er entstand auf Basis einer breiten Einbindung von Exper­tinnen und Experten zu diesem Thema. Am 25.11.2014 fiel im Bundesministerium für Bildung und Frauen der Startschuss für dieses bildungspolitisch zentrale Entwicklungs- und Vernetzungsprojekt. Die erste Resonanz auf die Ankündigung des ÖRLP war unter den Beteiligten vielversprechend. Wichtig für die Entstehung des ÖRLP war neben einer möglichst breiten Einbindung von namhaften „Playern“ auch eine durchgängig transpa­rente Prozessgestaltung. In der Hauptphase seiner Entstehung umfasste der ÖRLP neben der Projektleitung 52 aktiv mitarbeitende Personen. 

Weitere Impulse für die Erstellung eines österreichischen Rahmenleseplans waren neben den bereits erwähnten nationalen und internationalen Assessments und Benchmarks der Europäischen Union auch der Bericht der High Level Commission on Literacy von 2013, der unter anderem ein europäisches Netzwerk für Literacy angeregt hat. Im Februar 2014 wurde in Wien dieses Netzwerk mit dem Namen ELINET gegründet. Ziel von ELINET ist die Etablierung einer europaweiten Zusammenarbeit zwischen Vereinen, Ministerien und anderen Organisationen im Bereich Leseförderung, um die Lese- und Schreibfähigkeiten von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen europaweit zu verbessern.

Beim ersten ELINET-Treffen vom 24.-27. Februar 2014 in Wien wurden die Rahmenbedin­gungen für eine gemeinsame Strategie für 28 Mitgliedsländer erarbeitet. Diese Struktur diente auch als Grundlage für die Erstellung des „Österreichischen Rahmenleseplans”. 
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