Präambel

Gabriele Breitfuß-Muhr, Maria Dippelreiter, Gerhard Falschlehner, Elisabeth Fuchs, Herta Hörmann, Stefanie Jörgl, Ernestine Kahlhammer, Dagmar Klien, Doris Kurtagic-Heindl, Michaela Reitbauer, Marion Schmiedl, Elisabeth Punz, Raimund Senn, Isabella Spenger, unter Mitarbeit von Christian As­palter, Gabriele Fenkart, Hermann Pitzer und den AG-Mitgliedern 

Gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948) hat jeder Mensch das „Recht auf Bildung“ (Artikel 26). Dieses Recht wurde im Sinne eines kulturellen Menschenrechtes gemäß Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte erweitert. Weiters existiert eine Fest­schreibung des Rechts „am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungen­schaften teilzuhaben“ (Artikel 27). Auch der Artikel 28 der Kinderrechtskonvention (und die schon genannte > ELINET-Deklaration) verankern das Recht auf Bildung dieser Art.

Lesen zu können ist wesentliche Voraussetzung für den Bildungserwerb und zentrales Element der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft. Insofern ist das Recht dar­auf, das Lesen zu lernen, aus den Menschenrechten auf Bildung und Teilnahme am kul­turellen Leben ableitbar. 

Der ÖRLP versteht – der OECD-Definition folgend – Lesen als Basiskompetenz für eine befriedigende Lebensführung in persönlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sowie für eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. 

Lesekompetenz (reading > literacy?) bedeutet, geschriebene Texte in > multimodalen und multimedialen Kontexten „zu verstehen, zu nutzen, über sie zu reflektieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Poten­zial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen – „Reading literacy is understanding, using, reflecting on and engaging with written texts, in order to achieve one’s goals, to develop one’s knowledge and potential, and to participate in society.“ (OECD 2009, S.23)

Literarisch-ästhetisches Lesen, Lesen zur Unterhaltung und Lesen zur Identitätsentwick­lung erfüllen über die OECD-Definition (informationsorientiertes Lesen) hinaus wichtige Funktionen für das Individuum und die Gesellschaft. Teilhabe an der Kommunikation über (multimodale) Texte in Familie, Peergroup, Schule und Gesellschaft sind wesentlich für eine erfolgreiche Lesesozialisation. Lesekompetenz braucht sowohl Lesetraining als auch Leseanimation. Erst das Zusammenspiel von Lesekompetenz und Lesemotivation ermöglicht die Entwicklung eines Selbstkonzepts als Leserin bzw. Leser und die Entwick­lung von verschiedenen Lesehaltungen/Lesemodi. 

In Wertschätzung für das Kulturgut Literatur formuliert der ÖRLP Maßnahmen zur Förde­rung und Vermittlung literarischen Lesens. 

Leseförderung bezeichnet jene Maßnahmen, die sicherstellen, dass alle in Österreich le­benden Menschen ausreichende Lesekompetenz und Lesebereitschaft erwerben, Lese­freude/Lesemotivation erhalten und weiterentwickeln können. 

Der „Österreichische Rahmenleseplan“ (ÖRLP) soll ein entscheidender Impuls für ein österreichweites Commitment für evidenzbasierte und verbindliche Maßnahmen mit dem Ziel einer qualitätsvollen Leseför­derung in allen gesellschaftlichen Bereichen sein und definiert umfassend die dafür erforderli­chen Rahmenbedingungen.  

Ausgehend vom Status quo nennt der ÖRLP Ziele, Grundprinzipien und Forderungen für die Leseförderung. Diese sollen zur Qualitätssicherung der Leseförderung in Österreich beitragen. In diesem Sinne richtet sich der ÖRLP an alle strategischen Akteure sowie Sta­keholder der österreichischen Gesellschaft, speziell in den Bereichen Bildung, Kultur und Wirtschaft. 

Der ÖRLP versteht „reading literacy“ nicht nur als individuelle Fähigkeit, sondern als kol­lektives Gut und Basis einer literalen, modernen Informationsgesellschaft. In diesem Sinne haben Investitionen in eine nachhaltige Leseförderung eine zentrale Bedeutung für die soziokulturelle und volkswirtschaftliche Prosperität Österreichs, die Wahrung der menschlichen Grundrechte und vor allem den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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