Zur Einleitung

Qualitätsvolles Lehren des Lesens hat das Ziel, den Erwerb und den Gebrauch der Lesekompetenz (im Sinne von Entschlüsselung und Weitergabe von Information) für alle Bevölkerungsgruppen nachhaltig zu sichern und die mannigfaltigen Potentiale der Kulturtechnik Lesen zugänglich zu machen. Lesekompetenz gewährleistet den Zugang zu verschriftlichten Inhalten und bietet damit eine unabdingbare Ressource in unserer schriftdominierten Gesellschaft (lesen, um uns zu orientieren und etwas tun zu können, um etwas zu wissen und zu lernen). Lesen ermöglicht es, nicht nur unser eigenes Wahrnehmen und Denken (lesen, um etwas über uns und die Welt zu erfahren, um Möglichkeitswelten kennenzulernen, um uns zu unterhalten und zu erbauen), sondern auch unsere sprachlichen und schriftsprachlichen Kompetenzen weiterzuentwickeln und zu verfeinern. 

Qualitätsvolles Lehren ist als wissenschaftlich geleiteter Prozess zu verstehen. Ausgehend vom Erkennen der individuellen Ausgangslage der Lernenden sollen individualisierte lesedidaktische Maßnahmen in adäquaten und vielfältigen Lernzugängen angeboten werden, um die jeweiligen Lernziele zu erreichen. Dafür sind aktuelles fachwissenschaftliches und lesedidaktisches Wissen sowie entsprechende pädagogische Kompetenzen erforderlich, um konkrete Lehr- und Lernsituationen qualitätsvoll gestalten zu können. 
Dies erfordert eine fundierte und kontinuierliche Aus- und Fortbildung der Pädagoginnen und Pädagogen und in der „Lesebildung“ Tätigen. Lernende mit Beeinträchtigungen des Erwerbs und der Ausübung der Schriftsprache (Dyslexie, Legasthenie, Lese-Rechtschreib-schwäche/störung; im Bericht der High Level Group wird der Begriff „struggling readers“ vorgeschlagen; EC 2012) sind auf gut ausgebildete Expertinnen und Experten angewiesen, die in Einzel- oder Kleingruppenunterricht bzw. -förderung und -intervention auf ihre spezifischen Problemlagen eingehen.

Qualitätsvolles Lernen des Lesens bedeutet neben dem Erlernen einer umfassenden Lesekompetenz eine nachhaltige Bereitschaft und Motivation für das Lesen generell aufzubauen, auch für unvertraute und komplexe Texte. Die Lernenden sollen ein stabiles Selbstbild als Leserin und Leser entwickeln und die unterschiedlichen Funktionen, die schriftliche Texte haben können, kennen und diese ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend nutzen können. Um sich diese Kulturtechnik anzueignen, müssen die Lernenden bereit sein, die dafür erforderlichen Ressourcen aufzubringen (z. B. Zeit, Konzentration, Selbstkontrolle, Selbstregulation). 

Die AG „Qualität des Lehrens und Lernens“ leitet zentrale Anforderungen an Leseunterricht, Leseförderung und weitere Interventionen aus aktuellen fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Forschungen ab. Von einer kurzen Darstellung von Problemlagen des Lernens und Lehrens von Lesen in Österreich ausgehend werden Maßnahmen und Ziele formuliert.

Selbstverständlich ist Lesen lehren und lernen ohne Schreiben lehren und lernen nicht denkbar. Daher ist im Österreichischen Rahmenleseplan das Schreiben prinzipiell mitzudenken. Dies würde auch dem international verwendeten Begriff > „Literacy“ entsprechen, der Lesen und Schreiben als Kompetenzen einerseits und als situierte soziale Praxis andererseits umfasst sowie die Texte an sich als auch die Leserinnen und Leser und Nichtleserinnen und Nichtleser selbst. Lesen ist Umgehen mit Sprache; sprachliche Bildung und Mehrsprachigkeit sind essenzielle Elemente eines zeitgemäßen Leseunterrichts und einer Leseförderung, die sich an den Lernenden orientiert. 


 

Buchzeit